Können wir bei verringerter/ausfallender Gasversorgung auf (partielles) Heizen mit Strom umstellen?

Hartmut Bögge hat mit einem Mitarbeiter der Stadtwerke und mit unserem Heizungsinstallateur gesprochen:

Unsere Energiezentrale ist mit einem 4 x 35 mm2 - Kabel an das Stromnetz angeschlossen.

Darüber lassen sich ca. 60 kW elektrische Leistung transportieren. In der EZ ist diese Leitung mit 63 A- Sicherungen abgesichert, was die mögliche Leistung auf ca. 40 kW reduziert (220 V * 63 A * 3 Phasen = 41,6 kW).

Da alle Häuser an dieser Leitung hängen, bedeutet das, dass für jedes Haus ca. 2,7 kW zur Verfügung stehen, wenn alle Haushalte gleichzeitig maximale Leistung beziehen.

Da bei drastisch reduzierter Gasversorgung im Winter davon auszugehen ist, dass alle Haushalte gleichzeitig heizen werden, bedeutet das, dass jedes Haus maximal 1 Heizlüfter/Radiator mit ca. 2 kW Leistung betreiben kann. Damit ist kein Umsteigen auf Strom, sondern nur ein Notbetrieb möglich.

Nach Aussage unseres Heizungsinstallateurs wäre es einfach möglich, die Hauptsicherung kurzfristig gegen eine 100 A-Sicherung zu tauschen, was insgesamt ca. 60 kW elektrische Leistung und damit ca. 10 weitere Heizgeräte, insgesamt 25, ermöglichen würde (220 V * 100 A * 3 Phasen = 66 kW).

Diese Begrenzung beim Strombezug ist keine Überraschung, sondern ist in unserer Siedlung von Anfang an so geplant und allgemein bekannt gewesen (1987). Um die Sicherung in der Energiezentrale nicht zu überlasten, haben wir damals in den Häusern sog. Lastabwurf-Schalter installieren lassen, damit nicht mehrere, sondern immer nur 1 Strom-Großverbraucher eingeschaltet werden kann. Weil mehrere Saunen in den Häusern installiert wurden, haben wir uns auf die Regel geeinigt, dass die Sauna-Nutzer/-innen ihre regelmäßigen Saunagänge so aufeinander abstimmen, dass Überschneidungen in der Nutzung vermieden werden. Einige Jahre wurde der Sauna-Strom mit eigenen Zählern erfasst und intern mit einem erhöhten Preis belegt.

Betrachtet man mehrere Straßenzüge mit etwa 500 Haushalten, die an einen gemeinsamen Verteiler angeschlossen sind, stehen bei GLEICHZEITIGEM Leistungsabruf nur ca 0,5 kW (!) pro Haushalt zur Verfügung. Somit ist also auch generell kein großflächiges Heizen mit Strom möglich, wie es ja bei einem Totalausfall der Gasversorgung nötig wäre.

Der folgende Artikel begründet, warum der Umstieg auf Stromheizung nicht nötig ist und warum er technisch nur sehr begrenzt möglich ist.

Gasheizung maßvoll weiterbetreiben und ihre Effizienz steigern

Quelle: https://www.elektropraktiker.de/nachricht/empfehlung-weiterbetrieb-der-gasheizung-im-winter/

Derzeit liefert Russland nur ein Bruchteil der vertraglich vereinbarten Gasmengen. Das bedeutet aber nicht, dass Heizungskunden im Winter frieren müssen. Zum einen sind die Privatkunden gesetzlich geschützt; zum anderen wird in das deutsche Gasnetz Erdgas auch aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien eingespeist. Um Bedarfslücken beim Ausbleiben von Mengen aus Russland zu schließen, wird es weiterhin zu einer erhöhten Einspeisung aus den LNG-Terminals unserer europäischen Nachbarn kommen, über die Flüssiggas vom weltweiten Markt bezogen wird. Das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird bereits im kommenden Winter betriebsbereit sein. Mit einer Erhöhung der Einspeisung von Biogas in die Gasnetze könnte die Gasmangellage zusätzlich kompensiert werden.

 

Frank Gröschl, Leiter des Technologie- und Innovationsmanagements beim DVGW, empfiehlt: „Die Gasheizung kann in jedem Fall weiterbetrieben werden. Sinnvoll ist es jedoch, schon jetzt im Sommer Effizienzmaßnahmen an den Gasheizungen für den Winter anzugehen. Eine Absenkung der Raumtemperatur um ein Grad spart 6 % Energie. Durch Anpassung der Heizungsregelung an das tatsächliche Nutzerverhalten, online-Steuerung von Heizkörperthermostaten per App, hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage und vieles mehr sind weitere schnell wirkende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Verbrauchssenkung möglich. Laufende Wartungen an den Gasheizungen sollten vor dem Winter stattfinden, um Ineffizienzen frühzeitig aufzudecken und abzustellen. Dass diese Maßnahmen bereits zu greifen beginnen, zeigen die im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangenen Gasverbräuche um rund 14 %. Da geht noch was.“

Auch in einer Gasmangellage verbleibt Gas in den Verteilnetzen, mit dem die Wärmekunden versorgt werden. Denn allein aus technischen Gründen kann ein lokales Gasnetz, wie etwa ein Straßenzug oder ein Quartier, nicht so einfach abgeschaltet werden. Sicherheitseinrichtungen in den Gebäuden würden beim Unterschreiten eines Mindestdrucks des Gases oder beim Leerlaufen der Gasnetze auslösen. Jedes einzelne Sicherheitsventil müsste dann durch Fachpersonal wieder entriegelt werden. Dies wäre in der Praxis nur mit sehr hohem zeitlichem Aufwand durchführbar, denn dazu müsste jedes einzelne Gebäude aufgesucht werden.

Heizlüfter können zu Überlastsituation führen und Stromausfall verursachen
Elektrische Direktheizgeräte wie Heizlüfter sind keine sinnvolle Alternative, um den Gasverbrauch zu senken. Abgesehen davon, dass diese Art zu heizen sehr teuer ist, kann ein gleichzeitiger Betrieb vieler solcher Geräte die Stromversorgung beeinträchtigen. „Bei so einer zusätzlichen, gleichzeitig auftretenden Belastung kann es zu einem Ansprechen des Überlastschutzes und damit zu einem Stromausfall in den betroffenen Netzbereichen kommen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Hendrik Lens, stellvertretender Leiter des VDE ETG Fachbereichs. „Auch die Wiederherstellung der Stromversorgung gestaltet sich als schwierig. Wenn nicht möglichst viele betroffene Kunden ihre Heizgeräte manuell ausschalten, würde ein Zuschaltversuch durch den Netzbetreiber sofort zu einem erneuten Abschalten führen“, führt Lens weiter aus.

Neben lokalen Netzüberlastungen gibt es noch das Problem, dass die derzeitige Kraftwerkskapazität für diese zusätzlichen Lasten nicht ausreicht. Eine einfache Rechnung soll die Größenordnung verdeutlichen: Etwa 50 % der ca. 40 Millionen Haushalte in Deutschland heizen derzeit mit Gas. Bei der einfachen Annahme, dass an einem sehr kalten Wintertag im Mittel in der Hälfte dieser Haushalte ein elektrisches Heizgerät mit einer typischen Leistungsaufnahme von 2.000 Watt in Betrieb wäre, kommt man überschlägig zu einem zusätzlichen elektrischen Verbrauch von rund 20 Gigawatt. Dies entspricht einer Steigerung der aktuellen Jahreshöchstlast in Deutschland um ein Viertel, was weder die Stromnetze noch die vorhandenen Kraftwerke leisten könnten, zumal Gaskraftwerke in einer Gasmangellage ebenfalls nicht verfügbar wären.